Hinterher ist man immer schlauer


Als ich 30 geworden bin, hab ich auf einmal ganz viel über diverse Entscheidungen nachgedacht, die ich in meinem Leben getroffen habe. Ich nehme mal an, dass ich damit nicht alleine bin und es sicherlich auch einigen von euch so gegangen ist. Auf einmal fängt man an zu reflektieren und hinterfrägt, was man die letzten Jahre überhaupt so getrieben hat - und ob das überhaupt richtig und zielführend war. Entscheidungen, die dir vor ein paar Jahren vielleicht auch noch ausgesprochen wichtig waren, waren in Wirklichkeit vielleicht die unnötigsten und unwichtigsten Entscheidungen überhaupt. Eventuell denkst du vielleicht auch darüber nach, dass du deine besten Jahre verplempert hast. Zu viel Arbeit, zu wenig Freizeit. Dinge tauchen plötzlich in deinem Kopf auf, die du bislang vielleicht gar nicht auf dem Zettel hattest. 


Das Leben besteht aus so unheimlich vielen wichtigen und auch überhaupt nicht wichtigen Entscheidungen. Man kann schlichtweg einfach nicht sagen, wann man eine bessere Entscheidung hätte treffen können. Und geschweigedem ob sich die vermeintlich bessere Entscheidung, Jahre oder Jahrzehnte später, als doch die schlechtere herausgestellt hätte. Es kommt einfach irgendwann der Punkt, an dem wir alle einmal der Illusion aufsitzen, dass es die einzig richtige oder falsche Entscheidung im Leben gibt, die alles verändert - oder verändern könnte.



Nicht zu vergessen: Wir treffen auf täglicher Basis mehrere hundert verschiedene Entscheidungen am Tag. Manche davon mehr und manche davon weniger wichtig. Warum also einer einzigen Entscheidung so viel Bedeutung zumessen ? Und trotzdem spinnt sich unser Gehirn oftmals Geschichten darüber zurecht, was alles hätte sein können. Hätte man damals nach dem Studium einfach mal ein Jahr Pause gemacht und wäre durch die Welt gereist oder hätte man sich einfach mal auf den Job beworben der einem Spaß bereitet hätte und nicht einen anderen angenommen nur weil er besser bezahlt war. Was wäre wenn ? 

Um ehrlich zu sein: Mit der Weisheit von heute über die Entscheidungen von vor über 10 Jahren nachzudenken ist schlichtweg idiotisch. Das Gehirn ist von haus aus kein realitätsliebendes Organ und vor 10 Jahren auch noch um einiges jünger und unerfahrener. Irgendwann habe ich irgendwo mal gelesen, dass unser Gehirn ein Interpretations-Organ ist, das ein oft sehr eigenwilliges Bild der Vergangenheit kreiert und genau das in der Zukunft nochmal einen draufsetzen lässt. Kurz gesagt: Unser Gehirn erfindet manchmal ein derart krasses Parallelleben, dass man sich am liebsten direkt in dieses Paralleluniversum verziehen möchte und alles stehen und liegen lassen möchte. Quasi wie Fernweh nach etwas das nicht existiert. Kurz um, es ist völlig egal welche Entscheidungen du zB in deinen 20ern getroffen oder eben auch nicht getroffen hast. Gut okay, klar hättest du nach dem Studium zB auch ein Jahr Pause machen und durch die Welt reisen können. Hätte aber auch sein können, dass du dort einem Typen auf dem Leim gegangen wärst und nun mit einem ehemaligen Tauchlehrer gelangweilt auf einer Insel rumsitzt und selbstgebastelte Blumenketten an Touristen verkaufst. Man weiß es schlichtweg einfach nicht.


Kurz um: Hinterher bist du immer schlauer. Aber um fair zu bleiben, vorher hast du auch schon dein Bestes gegeben. Entscheidungen kann man in den aller meisten Fällen nur im hier und jetzt treffen. Klar, nicht zu vergessen, dass einige Entscheidungen auch etwas Bedenkzeit und etwas Gehirnschmalz benötigen um auch diverse Dinge und Szenarien abzuchecken und im Kopf durchzugehen. Im Großen und Ganzen triffst du deine Entscheidungen aber im hier und jetzt. Hierbei völlig egal ob das Kopf oder Bauch Entscheidungen sind. Ob diese gut, schlecht, sinnlos oder der Burner waren kannst du - wenn überhaupt - sowieso erst nach etlichen Jahren beurteilen. Und die eine, besondere, außergewöhnliche Entscheidung, für den richtigen Job, Partner oder Lebensweg im Allgemeinen, die gibt es sowieso nicht. Und weißt du auch warum ? Weil du im Nachgang bestimmst wie du mit der Entscheidung umgehst und wie es weiter geht. Du bestimmst ob deine Beziehung gut läuft oder wie deine berufliche Karriere voranschreitet. On top gibts dann noch gratis einen Mix aus glücklichen und auch unglücklichen Zufällen und schon ist dein ganz persönlicher Cocktail, namens Leben, fertig. 

Die Quintessenz soll sein, hadere nicht mit deinen Entscheidungen. Warte nicht auf "bessere Zeiten" oder bis dir dieser eine, alles erleuchtende Gedanke kommt der dir alles glasklar erscheinen lässt - da wartest du nämlich buchstäblich für immer. Nimm die Herausforderungen die dir das Leben entgegen schmeißt an. Manchmal sind sie gut und manchmal sind sie lehrreich. Aber du wirst für dich schon die beste Entscheidung treffen. Behalte das immer im Hinterkopf, denn all deine Entscheidungen in der Vergangenheit haben dich zu dem Menschen gemacht, der du heute bist. 

Auch ich kann für mich selbst sagen, dass so einige dumme und blöde Entscheidungen in jüngeren Jahren, mich zu dem Menschen gemacht haben der ich heute bin. Und um ehrlich zu sein, ich finde ich bin ganz gut geraten. Es gab aber auch so einige richtig gute und  tolle Entscheidungen die ich getroffen habe und auf die ich echt stolz bin. Würde ich heute etwas anders machen ? Ja schon, im vereinzelten würde ich das. Aber im Großen und Ganzen würde ich sagen nein. 
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