Anti-Produktivitätsliste - So viel wie möglich oder so viel wie nötig ?


To Do Listen - Fluch und Segen zu gleich. Täglich knallen wir unsere To Do Listen mit allem möglichen voll und wollen so viel wie möglich geschafft bekommen. Die Listen werden immer länger und die Relation zu dem, was tatsächlich schaffbar ist, geht langsam aber sicher verloren. Am Ende des Tages ist man dann enttäuscht oder gar sauer, weil man nicht mal ansatzweise das geschafft hat, was man sich vorgenommen hat. Doch scheinbar geht der Trend mittlerweile genau in die andere Richtung. Mir sind in letzter Zeit so einige Artikel vor die Augen gekommen in denen es eher darum geht, nur so viel wie nötig zu machen anstatt so viel wie möglich. Vielleicht stammt diese neue Bewegung auch noch aus der Covid Zeit, in denen wir mehr oder weniger gezwungen waren runterzufahren und auch mal abzuschalten. 


Seien wir doch mal ehrlich, die Hustle-Culture ist für den Durchschnittsmenschen eher demotivierend. Immer mehr, immer weiter und noch mal einen drauf setzen... Wie soll man das denn alles schaffen ? Ich nehme mich selbst da jetzt nicht aus, denn ich weiß gar nicht wie viele Jahre am Stück ich "dumm und dämlich" gearbeitet habe und das teilweise 16-18 Stunden am Tag. Heute kann ich darüber nur noch den Kopf schütteln, aber das war viele Jahre ein normaler, regulärer Tagesablauf. Heute unvorstellbar für mich, musste ich aber auch auf die harte Tour lernen. Ich denke, dass es nicht nur mir so geht, sondern auch vielen anderen - und vielleicht ist genau das der Grund, warum der Trend mittlerweile eher Richtung Anti-Produktivitätsliste geht. 



Der Knackpunkt ist allerdings, dass so viel wie möglich zu tun, fatal sein kann. Denn wenn man ständig unter Druck steht und einen Punkt nach dem nächsten von der To Do Liste abhakt, hat man keine Zeit nachzudenken. Darüber nach zu denken, was man da denn eigentlich tut. Und das führt früher oder später definitiv in eine Sackgasse. Und hier spreche ich (leider) aus Erfahrung. Früher noch habe ich mich quasi selbst dafür gelobt, einen vollen Terminkalender zu haben, meine riesigen To Do Listen am Ende des Tages abgearbeitet zu haben, jeden Monat in einer anderen Stadt oder einem anderen Land gewesen zu sein und so weiter. So einige Veranstaltungen, Events und Treffen habe ich nur zugesagt, um etwas zu tun zu haben, das ich im Nachgang, oder auch währenddessen, entsprechend in Arbeit umwandeln kann - quasi also alles doppelt gemoppelt. Vieles ging natürlich auch mit meinem früheren "Influencer Dasein" einher und alles und jeder hat entsprechenden Content geboten. Wenn ich diese Zeilen heute schreibe, kann ich letztlich nur die Augen verdrehen. Schon verrückt, wie sich das eigene Bewusstsein so verändern kann, denn heute wäre das für mich unvorstellbar. 


Zeit zum Nachdenken zu haben, wäre lange Zeit für mich ein echter Albtraum gewesen. Ich sags euch wie es ist, mit "zu viel" Freizeit hätte ich gar nichts anzufangen gewusst. Dabei ist die Zeit zum Nachdenken so etwas wichtiges und ermöglicht es einem bessere Entscheidungen zu treffen. Das Unvermeidbare hat sich dadurch, zumindest bei mir persönlich, einfach nur hinausgezögert. Doch warum war das früher so ? In den aller meisten Fällen sind es die viel zu hohen Erwartungen an uns selbst. Unrealistische Erwartungen, die wir in vielen Fällen nicht erfüllen können und auch überhaupt nicht müssen. Die Priorität sollte viel mehr darin liegen mit sich selbst im Reinen zu sein, mit dem was man hat glücklich zu sein, im Leben Zufrieden zu sein, sich bewusst zu ernähren, für genügen Bewegung zu sorgen, sich hin und wieder etwas zu gönnen, die eigene Gesundheit und Nachts durchschlafen zu können. 



Worauf ich letztendlich hinaus möchte ist, dass viel mehr normalisiert werden sollte, dass es nicht nur okay ist Termine abzusagen, an gewissen Tagen weniger oder gar nicht zu arbeiten und einfach mal nichts zu tun. Es sollte vielmehr zur Notwendigkeit werden, dass das hin und wieder notwendig ist. Sich bewusst Zeit zu nehmen, mal einen ganzen Tag lang nichts rein produktives zu tun, sollte zumindest einmal die Woche an der Tagesordnung stehen. Mag vielleicht leichter gesagt als getan sein, aber daran lässt sich arbeiten. Denn dieses "faul sein" und das "nichts tun" wird so stark unterschätzt, dabei ist es auf so vielen Bereichen und Ebenen, so wichtig! Denn auch diese Momente sind genauso wichtig und wertvoll wie die produktiven Stunden. 

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